Die 1. Schulschließung war ein Glücksfall für das Schulwesen und für das Nachdenken über Bildung. Noch nie wurde das bisherige Schulsystem so in den Grundfesten erschüttert, noch nie wurde so schnell auf Veränderungen reagiert, noch nie zeigte sich so offensichtlich, wie viele SchülerInnen aus dem System fallen können.
Die meisten Veränderungen und damit meine ich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen, umweltbedingten u.a. werden von uns kaum zur Kenntnis genommen. Sie verändern nicht knallartig unsere Lebenssituation, sie sind schleichend unterwegs und geben uns jede Chance der Verdrängung.
Schulschließung und Transformationsprozess?
Haben wir es verlernt, uns Gedanken und Vorstellungen zu machen, was auf uns zukommt? Könnten wir auf Veränderungen nicht dann besser reagieren, aber vor allem agieren? Die tiefgreifenden Transformationsprozesse in unserer Gesellschaft stellen unsere bisherigen Vorstellungen von Erziehung und Bildung grundsätzlich in Frage. Reduzieren wir diesen Satz nicht auf die einfache Formel: Mit der Digitalisierung schaffen wir es. Nein es geht um die große Freiheit, die wir heute haben: ETWAS ZU LERNEN, ETWAS ZU LESEN, ZU MUSIZIEREN, ZU MALEN, ja auch sich mit Mathematik, Biologie u.a. ZU BEFASSEN. Diese Freiheit haben wird in unserem Kulturkreis, da Hunger, Not, Elend, Kinderarbeit, Krankheit und andere Bedrohungen großteils überwunden sind. Nicht für alle, nicht überall auf der Welt.
Was ist zu tun?
- Veränderungen wahrnehmen
- Die eigenen Vorstellungen hinterfragen und verändern
- Loslassen, wenn Lösungen längst nicht mehr funktionieren. Das erfordert das Erkennen.
Mit dem Erkennen ist ein Schritt gelungen. Dem muss das Verstehen folgen. Jede Veränderung greift nur dann, wenn man davon berührt wird. Der Mensch ist kein Objekt, der motiviert werden muss – dann wird er nur in dem Sinn ‚hingebogen‘ wie wir ihn haben wollen. Das mögen erfolgreiche Menschen – erfolgreiche SchülerInnen werden. Ist das ein gelingendes Leben, eine gelingende Schullaufbahn?
Jetzt wird es aber noch ein wenig schwieriger: Das Neue muss sich bewähren, indem es attraktiver, leichter und zufriedenstellender sein soll. Nicht das Tempo der Veränderung entscheidet, nein die Akzeptanz in uns, das Neue anzunehmen. Wir müssen es verstehen, den Sinn erkennen. Wir müssen es bewältigen können und es muss bedeutsam sein.
Erfüllt unser Bildungssystem diese 3 Schlüsselbegriffe?
Erneut stehen wir davor, dass die bloße Aneignung kognitiver Interessen kein gelingendes Leben, vielleicht eine schöne Karriere ermöglichen. Lernende brauchen einen inneren Kompass. Unser Bildungssystem baut auf Aufbewahrung, auf Ausstattung mit Fähigkeiten zur Verwertbarkeit, reiner Vermittlung von Wissen im Unterricht, verknüpft mit Leistungskontrollen und der Sortierung nach Abschlüssen auf.
Wäre es nicht gelingender, Lernende darin zu begleiten, dass sie das Wissen und Können erwerben, das sie einmal für Teilhabe in Beruf, Familie, Freizeit, Wirtschaft und Demokratie benötigen? Dazu brauchen wir echte LernbegleiterInnen, die von der Bewertung (Leistungskontrolle) befreit sind.
Das können unabhängige Instanzen lösen. Beispiele dazu gibt es dutzendweise: Kein Fahrlehrer, kein Werkmeister, kein Seminarleiter, kein … prüft. So schaffen auch SchulversagerInnen den Führerschein – paradox?
Es muss nicht alles für alle gleich sein.
Was in der Erwachsenenwelt, bei Hobbies, in Vereinen u.a. gilt, kann doch auf Schule und Ausbildung transformiert werden: Es muss nicht alles für alle gleich sein. Es reicht oft aus, jungen Menschen, dort wo sie wohnen, Gelegenheit zu geben, nicht nur in der Theorie, sondern im praktischen eigenen Tun zu lernen, wie das Leben geht.
Ich komme nochmals auf die sogenannte Digitalisierung zurück. Jeder Blog trägt dazu bei, eine Frage, eine Unsicherheit, eine Neugierde, eine Innovation – fokussiert auf die fragende Person – zu beschreiben. Und viele andere, die darauf zugreifen, entscheiden selbst, ob der Inhalt für sie relevant ist. Lernen als Angebot. Das sogenannte Digitale als Angebot. DAS NENNE ICH Freiheit des Lernens.
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